Daniel Kötter

12 Skizzen

Konzert und Videoinstallation mit Musik von Xenakis, Julio Estrada, Wolfram Schurig (Konzerthaus Wien)

Wiener Zeitung

Printausgabe vom Freitag, 27. April 2007
 
Konzert
Heavy Metal? Nein, Klassik!
 
Von Rainer Elstner
 
Ohrenstöpsel für ein Konzert im Wiener Konzerthaus? Ja! Und es war keine Speed-Metal-Band zu Gast im Neuen Saal und auch nicht André Rieux. Sondern ein Streichquartett, vor dessen Auftritt elastische Kügelchen für die Gehörgänge der Zuschauer angeboten wurden.
Nicht nur die Präparation der Zuhörer war ungewöhnlich, sondern auch das Setting der Bühne. Auf zwölf Tischen wurden Videos von Daniel Kötter projiziert. Die von ihm produzierte Audio-Spur knallte mit solch unvermittelter Klangwucht in den abgedunkelten Saal und das gespannt lauschende Publikum, dass dieses kollektiv zusammenzuckte, als hätte ihm in der Geisterbahn jemand ins Genick gegriffen.
Zu vorbeirasenden grafischen Strukturen setzte Kötter abgehackte, teils pulsierende Tracks, gleich einer akustischen Wunde, roh, kreatürlich und hart an der Schmerzgrenze.
Seine "Zwölf Skizzen" bildeten den Rahmen für Musik von Iannis Xenakis, Julio Estrada und Wolfram Schurig – auch nicht das, was man leichte Kost nennt. Allen gemeinsam ist nämlich eine strukturelle Überforderung des Publikums – und die unerbittliche Härte ihres musikalischen Materials.
Brutaler Determinismus
Xenakis’ Stück "ST/4" wurde nach einem Computerprogramm generiert und repräsentiert eine "abstrakte Struktur auf der Basis der Wahrscheinlichkeitsrechnung" (Lothar Knessl). Brutaler Determinismus, konsequent umgesetzt vom konzentrierten Kairos Quartett. Julio Estradas "ensemble’yuunhui" für Streichquartett wurde zwei Mal gegeben, in getauschten Spielpositionen. Es tat gut, den filigranen Bögen und heftigen Tremoli nochmals folgen zu können, die Grenzen des musikalischen Ausdrucks in Hörweite.
Wolfram Schurigs "blick: verzaubert" verbirgt ganz bewusst seine musikalische Struktur. Die spannende Interpretation durch das Quartett aus Berlin und die hervorragende Pianistin Xie Ya-ou gipfelte in einem sich immer weiter konzentrierenden, klanglich verkarstenden Finale, das die Zeit zum Zerreißen dehnte. Ein trotz lichttechnischer Schwierigkeiten stimmiger Abend, der großen Eindruck hinterließ.